Am
18. September 2005 wurde das „Museum im Böhmischen Dorf“
in Berlin-Neukölln eröffnet. Im Böhmischen Dorf im Berliner Bezirk Neukölln leben noch heute Nachfahren der Exulanten, die wegen ihres evangelischen Glaubens 1737 aus dem unter Habsburger Herrschaft stehenden Ostböhmen vertrieben wurden. Die städtebauliche und architektonische Struktur der Ansiedlung sowie religiöse und kulturelle Charakteristika ihrer Bewohner haben bis in die Gegenwart überlebt. Das Böhmische Dorf ist nicht nur ein herausragendes Beispiel preußischer Einwanderungspolitik im 18. Jahrhundert, sondern gleichzeitig ein idyllisches Kleinod im urbanen Norden Neuköllns. Im Museum werden Geschichte, Entstehung und Siedlungsstruktur des Böhmischen Dorfes sowie Traditionen, Glauben, Handwerkskunst, Pädagogik, Leben und Arbeiten seiner Bewohner in Vergangenheit und Gegenwart dargestellt. Betreiber des Museums ist der als gemeinnützig anerkannte Verein „Museum im Böhmischen Dorf e.V.", dessen Mitglieder die Dauerasstellung und die Sonderausstellungen in ehrenamtlicher Arbeit gestalten. Die Exponate stammen größtenteils von Mitgliedern der Herrnhuter Brüdergemeine und aus der Brüdergemeine selbst. Zu den Exponaten zählen u. a. die Kirchentracht der Herrnhuter, zweisprachig (tschechisch und deutsch) verfasste Gesangbücher und Bibeln, historische Herrnhuter Sterne, Gegenstände, die die Missionare der Herrnhuter aus Missionsgebieten wie Südafrika und Surinam mitbrachten sowie von den Lehrern selbstgefertigte Versuchsgeräte für den Physikunterricht aus der alten Brüdergemeinschule. Die Objekte verdeutlichen den Prozess der Integration der Böhmen, die besondere Rolle von Glauben und kirchlichen Traditionen im Alltagsleben der Dorfbewohner, und sie geben Einblicke in die pädagogischen Ansätze der Herrnhuter und in die Details der Siedlungsgeschichte des Dorfes. Das Museum ist im ehemaligen Schulhaus der Böhmen in der Kirchgasse 5 untergebracht. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude, errichtet 1753-54, diente zunächst als Betsaal und Schulhaus und ab 1909 als Wohngebäude. 1980-82 wurde es durch das Zukunfts-Investitions-Programm (ZIP) des Senats saniert. Eine Zweizimmerwohnung im Erdgeschoss des Gebäudes beherbergt seit 2005 das kleine Museum zur Geschichte des Böhmischen Dorfes und der Herrnhuter Brüdergemeine in Berlin. Das Museum ist behindertengerecht. Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne Brigitta Polinna (Tel. 030/687 48 80),
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…noch immer wird im Böhmischen Dorf in Berlin-Neukölln zu Weihnachten das tschechische Lied "Cas radostí" (Zeit der Freude) in der Sprache der böhmisch-mährischen Exulanten gesungen. Noch heute leben im Böhmischen Dorf bzw. in seinem Umfeld die Familien Barta, Duschek, Jansa, Krystek, Leschikar, Maresch, Maretschek, Matschat, Motel, Niemetz, Pechatschek, Schudoma, Sponar, Strakon, Wanzlik, Weyprachtitzky und Zoufall. Die Böhmen bewahrten in Rixdorf ihre aus dem Land der Mütter und Väter mitgebrachten und von der Herrnhuter Brüder-Unität übernommenen Sitten und Gebräuche, sie entwickelten ein intensives neues Heimatgefühl. So gelang es, bauliche und soziale Strukturen über Jahrhunderte hinweg zu erhalten, weshalb das Böhmische Dorf in Berlin-Neukölln nicht wie viele andere historische Kleinodien Berlins zu einer bloßen Erinnerungsstätte wurde, sondern als "Zeugnis lebendiger Geschichte" und als "Rixdorfs bedeutendstes historisches Erbe" erhalten blieb – als ein über Berlin hinauswirkendes historisches Phänomen. Die Nachfahren der Exulanten sorgten dafür, dass tschechisch im Böhmischen Dorf nie zu einer "Fremdsprache" wurde, obwohl niemand mehr die Sprache der alten Heimat spricht. Heute ist das Böhmische Dorf ein vielbeachtetes Zentrum der Comeniuspflege und übt eine wichtige Mission für die Verständigung und Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen aus. (Manfred Motel) |
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